Schicksal eines exotischen Lebens

Geheimdienste verrichten unbehelligt ihre Arbeit, Spione, Agenten und Auftragskiller wandeln unerkannt unter uns. Es ist eine Welt, die die meisten von uns nur aus dem Fernsehen kennen. Mata Hari lebte in dieser Welt. Für die Deutschen und die Franzosen als Doppelagentin im ersten Weltkrieg tätig, erlangte sie tragische Berühmtheit. Basierend auf dem Textstück des Erfolgsautors Tony Dunham hat Christos Nicopoulos ihre Geschichte nun inszeniert. Coronagerecht und mit einfachsten Mitteln. Ein sehenswertes Schauspiel.

Silke Natho und Georg B. Lenzen stehen auf der Bühne. Eng umschlungen tänzeln sie über die Spielfläche, raufen sich und stoßen sich voneinander ab, sie umarmen und küssen sich. Während viele Theater nach einer Möglichkeit suchen, wie sie Abstandregelungen auf der Bühne gezielt umsetzen können, ist das für das Schauspielerpaar kein Problem. Denn im echten Leben sind sie ein Ehepaar und hier profitieren sie eindrucksvoll von ihrer Wohnsituation. Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck der aktuellen Situation geschuldet ist, aber das frischt die Inszenierung merklich auf, es hält bei der Stange und es entsteht eine nach mehr Körperkontakt und Interaktion gierende schwelende Sehnsucht, die ich so noch gar nicht kannte.

Viele Rollen, nur zwei Darstellende

Natho nimmt in dem Ganzen die Rolle der Margaretha Geertruida Zelle ein, besser bekannt als Mata Hari. Mehrere Lebensphasen der Protagonistin erlebend, springt die Inszenierung unentwegt zu den fortlaufenden Persönlichkeitsstufen von Mata Hari und erzeugt so gleich mehrere Protagonistinnen, die mit einfachsten Konstümwechseln und Zeitsprüngen ihr Antlitz ändern und die alle einen eigenen Geschichtsabschnitt parat halten.

Lenzen demgegenüber verkörpert so gut wie alle essentiellen männlichen Rollen, die in Mata Haris Leben eine Rolle spielten: den niederländischen Captain der Dutch Colonial Army Rudolf MacLeod, das russische Fliegerass Vadim Maslov und ihren Vater. Er spielt ihren Großvater, die Ankläger und das alles beendende Exekutionskommando. Seine Kostümwechsel geben größtenteils den Verlauf der Geschichte vor, zumindest orientiere ich mich an ihnen, um der Geschichte folgen zu können.

Eröffnet wird die Aufführung mit der Anklageszene, in der die aufgeflogene Agentin von den Franzosen der verräterischen Spionage bezichtigt wird. Anschließend wechselt das Spiel in ihre Kindheit und durchläuft ihr komplettes Leben. Natho gelingt es dabei durchweg, jeder einzelnen Lebensphase Sympathien einzuhauchen, wodurch jede Wendung auf dessen eigene Weise mitreißend ist und das Interesse am Fortlauf der Geschichte hoch bleibt – auch wenn mich der erste Rollenwechsel ein bisschen aus dem Fluss bringt…

Was ein bisschen bitter aufstößt, ist die Darstellung Mata Haris. Die allzu naive und unbedachte Frau, die dort auf der Bühne steht, sie entspricht nicht dem, was ich über Mata Hari weiß – trotz ihres allseits bekannten laissez-fairen Umgangs mit dem Thema Spionage. Das prägende Merkmal der Aufführung ist das großkotzige Machogehabe der männlichen Akteure, welches sich sich beispiellos durch die gesamte Inszenierung hangelt und das den Eindruck vermittelt, Mata Hari sei nichts weiter als das Bauernopfer der Franzosen und des herrschenden patriarchalischen Systems, in dem sie lebte. Das war sie mit Sicherheit auch – aber von der Mata Hari, die sich als Verführerin einen Namen machte, die erhaben und begehrenswert war, davon ist leider nicht viel zu sehen.

Das Bauernopfer Mata Hari geht glänzend unter

Zum Ende hin kommt es dann, wie es kommen muss: Das französische Militär überführt sie der verräterischen Spionage. Ihre Unschuld beteuernd wird sie schließlich schuldig gesprochen, ein Exekutionskommando vollzieht die Hinrichtung gnadenlos. Sie stirbt würdevoll und stehend. Und es ist der Moment, der den Theaterraum mit Stille überzieht. Der letzte Pistolenschuss liegt wie Blei in der Luft, das Licht geht aus und der Schock schwindet nur langsam. Das Ende eines legendären Lebens. Und einer überraschend guten Inszenierung.

Fotos: Joachim Neumann/ Victoria Pushkin/ Klaudius Dziuk

Zeiten:

26. Oktober 2020:
20:00 Uhr

27. Oktober 2020:
20:00 Uhr

5. November 2020:
20:00 Uhr

7. November 2020:
20:00 Uhr

11. November 2020:
20:00 Uhr

12. November 2020:
20:00 Uhr

20. November 2020:
20:00 Uhr

21. November 2020:
20:00 Uhr

Preise:

Eintritt: 17,00 €
Ermäßigt: 12,00 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung: 

Horizont Theater
Adresse: Thürmchenswall 25, 50668 Köln
Kartentelefon:
0221 – 13 16 04
Webseite: www.horizont-theater.de/produktionen/matahari
KVB: Linien 12, 15, 16, 18: Ebertplatz

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