Was unterscheidet den Menschen von seinen Mittieren? Was hebt ihn über den Stand eines Insekts hinaus? Die Fähigkeit zur Sprache vielleicht oder zum vernunftbasierten Denken und Handeln? Oder ist es das Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit? Der Mensch weiß, dass er sterben wird, nicht bis in alle Ewigkeiten existiert. „Memento mori“, wie der Lateiner sagt – „Gedenke, dass du stirbst.“
Aber weiß das ein Hund genauso? Denkt er, während er durch den Park streift, darüber nach, dass er eines Tages zum letztem Mal das Beinchen heben wird, sein Revier markiert, um der Nachwelt zu zeigen: „Ich war hier“? Und wenn ja, ist sich dann eine Eintagsfliege ebenso bewusst, dass ihr Leben von nur allzu kurzer Dauer ist?
Dieser Frage widmet sich Schriftsteller Martin Baltscheit in seinem Kinderbuch „Nur ein Tag“. Die Entstehungsgeschichte des Buches lässt sich anekdotisch auf Baltscheits Tochter zurückführen. Diese habe ihn gefragt: „Weiß eine Eintagsfliege, dass sie eine Eintagsfliege ist?“ Von dieser Frage seines Kindes inspiriert, schrieb Baltscheit eine Geschichte über das Leben und Sterben einer Alltagsfliege, die nun vom Theaterpädagogischen Zentrum Köln (TPZAK) unter Regie von Angelika Pohlert für die Bühne adaptiert worden ist.
Ein Fuchs und ein Wildschwein, gespielt von Leonie Renée Klein und Imke Schreiber, stoßen auf eine solche Fliege. Und nein, dieses Exemplar weiß nicht, dass sie eine Eintagsfliege ist. Im Glauben an ein langes, erfülltes Leben begegnet sie den Tieren des Waldes voller Lebensfreude; neugierig zieht sie los, um die Welt zu entdecken. Fuchs und Schwein hingegen sind sich über den baldigen Tod der Fliege bewusst, sie bringen es bloß nicht übers Herz, das kleine Insekt über die hässliche Wahrheit zu instruieren. So machen sie gute Miene zum bösen Spiel und entschließen sich aus einer Notlüge heraus dazu, der Fliege den einzigen Tag ihres Lebens so schön wie möglich zu gestalten.
Von diesem Ausgangspunkt an entspinnt sich eine tragisch-komische Geschichte deren Nominierung für den Kölner Theaterpreis 2019 mehr als berechtigt war. Die schwere existenz-philosophischen Kost des Stücks wird den Gästen liebevoll und kindgerecht serviert, durch den Witz und die entstehende Situationskomik wird sie auch für die kleinsten Besucher verdaubar gemacht. Kinder seien, laut Regisseurin Angelika Pohlert, ohnehin „in einem philosophischen Alter und empfänglich für diese Thematiken“, wie sie erzählt: „Die Kinder gehen unbedarfter an solche Gegenstände heran, meistens sind es die Eltern, die den Saal mit Tränen in den Augen verlassen.“
Obwohl das Stück auf den Tod der Eintagsfliege hinausläuft, was man wohl sagen kann, ohne zu viel zu verraten, steht dieser nicht im Mittelpunkt. Stattdessen ist es eine Ode auf das Leben und die Freundschaft, auf die schönen Dinge, denen der Tod erst das richtige Gewicht verleiht. Die Erkenntnis über die Sterblichkeit sollte nicht dazu führen, dass man in Trauer darüber versinkt – sie sollte dafür sorgen, dass man das Leben zu schätzen und zu lieben lernt, wie auch der Fuchs im Stück resümiert:
Fuchs: „Der Tod ist wie das Leben: unvermeidbar.“
Wildschwein: „Aber niemand weint über das Leben.“
Fuchs: „Ganz recht. Und deswegen sollte auch niemand über den Tod weinen.“
Fotos: Florian Eßer
Empfohlen für:
Personen ab 6 Jahren
Zeiten:
9. Februar 2020:
16:00 Uhr
5. April 2020:
16:00 Uhr
19. April 2020:
16:00 Uhr
21. Mai 2020:
16:00 Uhr
24. Mai 2020:
16:00 Uhr
31. Mai 2020:
16:00 Uhr
7. Juni 2020:
16:00 Uhr
11. Juni 2020:
16:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 8,00 €
Ermäßigt: 6,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Theaterpädagogisches Zentrum e.V. Köln
Adresse: Genter Straße 23, 50672 Köln
Telefon: 0221 – 52 17 18
Webseite: www.tpzak.de/spielzeit/spielzeit-im-theaterhaus/event/205-nur-ein-tag-von-martin-baltscheit
KVB:
Linien 3, 4, 5, 12, 15, 18: Friesenplatz