Einsamkeit im Kindesalter – Eine durchaus realistische Erzählung
Ich bin ein glückliches Kind. Und ich bin es auch zeit meines Lebens immer gewesen. Mit Sicherheit war meine Kindheit nicht sorgenfrei, aber immerhin genoss ich das Privileg, nie alleine sein zu müssen. Ich konnte mich immerzu auf meine Eltern verlassen und das trotz der Tatsache, dass mein Vater „nur“ mein Stiefvater ist. Das muss beileibe nichts bedeuten, in anderen Familien läuft das aber anders. Ein abschreckendes Beispiel zeigt das Horizont Theater nun mit „Pippa Pan“. Die Mischung aus Peter Pan und Pippi Langstrumpf trumpft dabei mit einer erstaunlich straighten Message auf – und das trotz eines Themas, das schwer im Magen liegt und das eigentlich niemand so wirklich sehen will…
Pippa ist alleine. Zurückgelassen von ihrem Vater lebt sie in einem Wald, ein Geheimversteck bietet ihr Schutz vor Kälte und Regen. Ihre Mutter ist die Mutter Natur selbst – und die hört nicht immer auf Pippa. Das allerdings macht dem kleinen Mädchen, welches im Grundschulalter anzusiedeln ist, nichts aus, ihre Zuneigung ihr gegenüber ist nichtsdestotrotz ungebrochen. Was auch für das Verhältnis zu ihrem Vater gilt, ungeachtet der Tatsache, dass er sie alleine zurückließ, um sich „selbst zu verwirklichen“.
Eine Achterbahn der Gefühle
Geprägt ist die Inszenierung von einem ständigen Hin und Her der Gefühle. Und damit meine ich nicht die Gefühle Pippas, sondern meine Gefühle als Zuschauer. Pippa ist durchweg klar in ihrem Handeln, zumindest die meiste Zeit über, und oftmals scheint es so, als realisiere sie die Wucht der eigenen Situation nicht wirklich. Ich hingegen tue das durchaus. Das einsame Mädchen dort auf der Bühne (überzeugend gespielt von Leonie Schlüter) nimmt ihre Situation so, wie sie halt ist, und versucht immerzu das Beste aus ihr zu machen. In mir allerdings regen sich Mitleid, Wut und Ohnmacht, denn ich vergleiche die Situation durchweg mit meiner eigenen Kindheit. Wieso nimmt Pippa ihren Lebensumstand mit solch einer Leichtigkeit hin? Wie kann dieses Mädchen noch Zuneigung ihrem Vater gegenüber empfinden?
Zunächst habe ich Probleme das zu verarbeiten. Bis es dann endlich dämmert. Der wahre Grundton der Inszenierung ist nämlich nicht die kindliche Einsamkeit der Protagonistin, sondern ihre Handhabe mit jener. Sie lässt sich nicht unterkriegen, ist gemeinhin gut gelaunt und liebt das Leben mit all seiner Vielfalt. Und diese Vielfalt erlebt sie weiß Gott zur Genüge, dort in ihrem Waldversteck, mit der Mutter Natur als permanente Ansprechpartnerin.
Selbstliebe als Weg aus der Krise
Es ist also eine Zwickmühle. Diese zutiefst nachdenklich stimmende Produktion, die eher was für Erwachsene denn für Heranwachsende ist, sie türmt sich wie eine Achterbahn der Gefühle vor mir auf; mit einem Happy-End, das eigentlich gar kein Happy-End ist. Denn die ganze Inszenierung ist ein Happy-End, ungeachtet aller negativen Konnotationen, die das düstere Basis-Thema mit sich bringt. Die spartanische aber ausreichende Bühnenausstattung sowie die darauf abgestimmten Sound- und Lichteffekte holen das Waldleben geradewegs in den Thürmchenswall und sie alle leisten ihren Beitrag, um das Geschehen so realistisch wie möglich zu gestalten.
Und zum Schluss ist halt Pippas Verhalten die alles entscheidende Botschaft: Sie symbolisiert und personifiziert die Selbstliebe, die sie für sich und für alles um sich herum empfindet und durch die das junge Mädchen anscheinend jede noch so schwierige Situation zu meistern imstande ist. Und das war auch das, was ich aus dieser Aufführung mit nach Hause genommen habe: Love yourself!
Foto 1: Horizont Theater – Mit Musik gegen die widrigen Lebensumstände: Pippa weiß sich zu helfen.
Foto 2: Horizont Theater – Pippa in ihrem Geheimversteck. Die Bühnenausstattung bringt das Waldleben gut rüber.
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Wir haben im Vorfeld ein Interview mit der Regisseurin Charlotte Wulff geführt: Das findet ihr hier.
Zeiten:
23. Oktober 2020:
16:00 Uhr
30. Oktober 2020:
16:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 7,00 €
ab 40 Personen: 5,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Horizont Theater
Adresse: Thürmchenswall 25, 50668 Köln
Kartentelefon:
0221 – 13 16 04
Webseite: www.horizont-theater.de/produktionen/pippapan
KVB: Linien 12, 15, 16, 18: Ebertplatz