Wie die GAG die Wohnsilos im Norden Kölns übernahm

Kräftige Mietpreiserhöhungen sorgen aktuell für negative Schlagzeilen, die der GAG gar nicht gefallen. Da dürfte dem städtischen Wohnungsunternehmen das Buch „1211 Wohnungen – Wie Chorweiler vor den Heuschrecken gerettet wurde“ von Bernd Imgrund gerade recht kommen. Wird hier doch erzählt, wie – durchaus gegen Widerstände – der unaufhaltsame Verfall eines ehemaligen Vorzeige-Stadtteils verhindert wurde. Eben durch die GAG.

Es ist – politisch, finanziell und demokratisch – eine durchaus komplizierte Erfolgsgeschichte die Imgrund erzählt. Das aber tut er immer nachvollziehbar: ein Sachbuch, das sich wie ein spannender Roman liest. Fotos helfen, Vorurteile gegen die Betonarchitektur und die Hochhäuser abzubauen.

Namhafte Architekten planten Chorweiler mit

Am Anfang steht natürlich ein Rückblick in die Anfänge der nördlichen Trabantenstadt. 1957 gab es die ersten Ideen für einen Stadtteil mit preiswerten Wohnungen. 1970 begannen die Bauarbeiten für 6.200 Wohnungen, geplant von namhaften Architekten wie Gottfried Böhm oder Oswald Mathias Ungers. Und es lohnte sich, hierher zu ziehen. Es gab eine Kirche, das Bezirksrathaus, das „City Center“-Einkaufszentrum, ein Kino, ein Schwimmbad, nicht zu vergessen das exquisitere Aqualand.

Der Haken an der Sache: Bauherr und Besitzer war die Neue Heimat (NH), ein gemeinnütziges Bau- und Wohnungsunternehmen, das dem DGB gehörte. Nach der Entdeckung von Korruption und Missmanagement wurde die NH 1986 aufgelöst. Spekulanten traten ihre Nachfolge an. Ihnen winkten sichere Einnahmen: Die meisten Mieten waren durch das Kölner Sozialamt gesichert. In die Erhaltung der Gebäude wurde kein Geld gesteckt. Langsam verfiel die Bausubstanz, häufige Besitzerwechsel verstärkten den Niedergang. Chorweiler wurde zum sozialen Brennpunkt, der immer wieder für negative Schlagzeilen sorgte. Ein städtisches Sanierungsprogramm von 45 Millionen DM brachte nur vorübergehend Abhilfe.

Spekulanten wollen Geld verdienen, nicht für Sanierungen ausgeben

Am Ende stand mit Marietta Bergstedt eine private Besitzerin, der 80.000 Quadratmeter Wohnraum gehörten. Doch die wahren Besitzer waren Banken, Bergstedt war 2005 bankrott. Was nun? Neue Spekulanten standen bereit, bei der anstehenden Zwangsversteigerung zuzuschlagen – allen voran der Talos-Konzern, eine klassische Heuschrecke.

Nun kam die Politik ins Spiel. Die Stadt erreicht zunächst eine Verschiebung der Zwangsversteigerung. Bald gibt es im Stadtrat vor allem von SPD und Grünen Überlegungen, die GAG mit dem Kauf der Wohnungen zu beauftragen. CDU und FDP sind dagegen, sie machen sich für die GAG-Kleinaktionäre stark. Dann der Trick: Die Stadt beauftragt die GAG, für soziale Wohnungen zu sorgen. Das wäre ein Akt der Daseinsvorsorge – ähnlich wie die KVB im Auftrag der Stadt den öffentlichen Nahverkehr sichert.

Für 47,1 Millionen Euro kaufte die GAG 1211 Wohnungen

Schließlich kommt es zur Einigung mit dem Insolvenzverwalter, die GAG übernimmt für 47,1 Millionen Euro 1.211 Wohnungen. 2020 sind alle saniert. Klagen einiger Kleinaktionäre werden abgewiesen. Langsam beginnt Chorweiler sich zu erholen. Das bestätigen im Großen und Ganzen bestätigen auch die Menschen, mit denen der Autor für dieses Buch gesprochen hat, etwa eine Sozialarbeiterin, eine Anwohnerin ein Wohnungsunternehmer und natürlich Jochen Ott. Der Kölner SPD-Landtagsabgeordneter hatte als GAG-Aufsichtsratsvorsitzender (bis 2021) die Übernahme wesentlich vorangetrieben. Warum Autor Imgrund keinen aktuellen GAG-Vertreter gesprochen hat, bleibt offen.

Leider kein Vorbild für andere soziale Brennpunkte in Köln

Ist diese Erfolgsstory nun Vorbild für die Finkenberg und Kölnberg, die ähnlich heruntergekommen sind wie einst Chorweiler? Imgrund muss da enttäuschen: In Porz gehört nach einer Zwangsversteigerung ein Großteil der Wohnungen der Talos Beteiligungs Gmbh, die die Siedlung verkommen lässt. Ihre Sanierung wäre bei einer Übernahme unbezahlbar. In Meschenich schließlich müsste die Stadt sich mit einer zu großen Zahl Eigentümer einigen. Als erste Hilfe für alle Bewohner fordert der Autor „eine konsequente nachhaltige Wohnungsaufsicht“ und „Sanktionen gegen verantwortungslose Vermieter“. Das wäre immerhin einmal ein Anfang für eine bessere Wohnsituation der Bewohner.

Bernd Imgrund: „1211 Wohnungen – Wie Chorweiler vor den Heuschrecken gerettet wurde“  – Greven Verlag, Köln 2023. Paperback, 96 Seiten, 16 Eu

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