Düster. Traurig. Hoffnungsvoll?

Wer keine Lyrik mag, darf jetzt direkt weiterklicken. Denn Thomas Dahls neustes Buch „Choreographien des Herzuntergangs – Lyrische Erzählungen“ kündigt schon im Untertitel an, mit was es aufwartet. Insgesamt 60 mal mehr mal weniger lange Geschichten, gepackt in ein lyrisches Format, das sicherlich nicht allemanns Geschmack trifft. Doch wer sich darauf einlässt, darf sich hier und da auch gerne mal überrascht und getroffen fühlen.

Schicksal, Liebe, Sex. Untergang. Aufstieg. Leben. „Choreographien des Herzuntergangs“ darf gut und gerne als Spiegel gesehen werden, der den Blick auf das eigene Seelenleben öffnet. Mitunter düster und traurig, konzentriert auf Narben und offene Wunden, oftmals allerdings auch in die genau gegensätzliche Richtung.

Über 104 Seiten reißen die Erzählungen dabei mal mehr, mal weniger mit. Sie sind persönlich und manchmal vulgär. Sie spielen mit dem Leben, mit dem Tod. Mit dem eigenen Untergang. Das eigene Herz, das sich zerfressen von Trauer und Leid keinerlei Bedeutung mehr rühmt und Anweisungen gibt, wie mit dem Schmerz umzugehen ist. Persönlich halt. Rückschlüsse auf den Autor lassen sich nur schwerlich fassen – und doch, was sagt es über jemanden aus, fühlt er sich angesprochen von solch teils melodramatischen Schriften?

Eine Abrechnung des Herzens

„Choreographien des Herzuntergangs“ scheinen genau deshalb eine Art Abrechnung zu sein. Eine Abrechnung des Herzens, verzwickt und verzwackt auf der Suche nach Erlösung. Immer mit dem Blick auf das Leben, das Positive, doch immer auch realistisch, schmerzerfüllt.

Das mag nicht jedem gefallen. Manch einer (oder eine) mag sicher mehr das Positive, das Schwärzende. Und doch bieten die 60 Erzählungen genügend Gelegenheiten, zu sich selbst zu finden – bzw. in unterschiedlichste Richtungen zu blicken. Der Umgang mit dem eigenen Herzen, der durchaus auch mal schmerzhaft sein kann, ist letzten Endes doch immer von wechselseitigen Gefühlen und Emotionen geprägt. Wie man dann damit umgeht, bleibt dann jedem/jeder selbst überlassen. Was auch sonst? Gefühlswelten sind subjektiv. Sie sind persönlich. Es bleibt einem nur das eigene Ich, den richtigen Umgang damit zu finden.

Sieht man dies als Zielsetzung an, so erreicht das Buch genau das, was es offenkundig vorgibt zu sein. Ein Spiegel des eigenen Seelenlebens, der getrübt ist, der klar ist, je nach Situation, je nach Erzählung. Ein Spiegel, der die Chance zur Identifikation mitgibt, der allerdings auch ignorant in die Ecke geworfen werden kann. Es ist ein Spiel mit Interpretationen, die mal mehr, mal weniger gut klappen. Wie jedes Schriftstück geht es letztlich auch um den Empfänger – und nicht nur um den Sender.

Ein lyrisches Werk ohne Fokus auf Reimschemata

Stilistisch vollbringt das Werk diesen Wandel zwischen zwei Gefühlswelten mit einfachen Mitteln. Erzählungen in Reimform gehören der Minderheit an, größtenteils lesen sich die Erzählungen leicht weg, ohne dass man ein zweites Mal drüber lesen muss, um den Sinn und Inhalt zu verstehen. Es ist dabei durchaus als ein Kunststück zu verstehen, solch teils schwer verdauliche Themen in leichter Kost zu kommunizieren. Die passende Abendlektüre? Vielleicht nicht unbedingt. Aber das passende Literaturhäppchen für die Bahnfahrt zwischendurch ist das Buch allemal.

Die Frage nach einer Empfehlung gestaltet sich für mich deswegen auch recht schwierig. Ja, empfehle es!, ruft die melancholische Seite in mir, die sich in mehr als 50% der Erzählungen irgendwie wiedergefunden hat. Nein, tu es nicht!, ruft wiederum die Seite in mir, die sich nach dem Positiven sehnt, welches sich in „Choreographien des Herzuntergangs“ zumeist nur innerhalb des eigenen Interpretationsrahmens bewegt. Spaß zu lesen macht es auf jeden Fall. Und vielleicht ist dieser Aspekt im Endeffekt auch der einzige, der zählt.

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Informationen: 

„Choreographien des Herzuntergangs – Lyrische Erzählungen“
Autor: Thomas Dahl
104 Seiten
Köln, 2021

Preis:

9,99 €

 

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