Die Kultur des Fluchens
Im Anfang war das Wort.
Falsch!
Im Anfang war das Bildnis – und dieses speiste den Intellekt von unzähligen Generationen. Ein Malbuch zu schreiben oder auch daraus zu lesen, sollte also nichts Verwunderliches sein – ist es aber aufgrund der inflationären Verwendung von verzweifelt zusammenbuchstabierten Sätzen oder Reimen. Dass dabei nicht selten die erzählerische wie lyrische Substanz im Nebel des Erdichteten rasch hinter bleichen Wänden verschwindet, darf nicht überraschen. Umso erfreulicher verirrt sich auf einen überladenen Lesemarkt mit schauderlichen Thrillern, fantasielosen Fantasy-Stories, richtungslosen Städte- oder Veedels-Krimis sowie Liebesromanzen mit fünffach-gedehntem ‚ie‘ ab und an ein herzgewinnender Fremdkörper, der durchaus auch mal kein Roman sein darf.
Benz kleidet in ihrem Malbuch Gemütszustände in Bildsprache
Mit „Computer Tourette“ ist der Kölner Künstlerin Sabine Benz solch ein verstörend-blitzendes Kleinod scheinbar unbeabsichtigt gelungen. In ihrer Danksagung an ihren „Blödenscheißdreckssausackarsch-Computer“ erklärt die Autorin das Motiv für die Buchproduktion mit einer durch technische Probleme bedingten Verweigerung des Rechners, die schließlich in ungeschönten Emotionen ihren Weg aufs unschuldige Papier fanden. Als Blitzableiter für ihren Ärger griff Benz kurzerhand zum Stift und visualisierte mehr als 30 Wut- und Enttäuschungszustände, die später (oder früher – so genau ist dies nicht belegt) zur Auseinandersetzung mit der Kultur des Fluchens und dessen Entwicklung geführt haben.
„Inzwischen sind die auf Götter und Unterweltgestalten bezogenen Flüche weitgehend aus der Mode gekommen. Der Unterleib, mit seinen Funktionen für Sexualität und Ausscheidung, hat das magische im Fluchen abgelöst“, so Benz. Das ist nicht von der Hand, respektive von Hintern, Hoden oder Vulva, zu weisen. Mit wenigen Strichen liefert die Zeichnerin ansehnliche Zustände, die dem lesenden Betrachter selbst in den angespanntesten Momenten noch ein Lächeln auf das Antlitz zaubern. Vom „Alten Sausack“ über die „Kackhirn-Kotze“ bis hin zum Doppelten Po („Arsch Arsch“) deckt die Autorin dabei ein beeindruckendes Spektrum an Beschimpfungen ab, das, an sich und andere gerichtet, nicht anders als zum Verlachen der brenzligen Situation führen sollte. Selbstverständlich bleiben den Malbuch-Erwerbern Raum für eigene Meisterwerke.
„Dem Selbstbeherrschten gehört die Welt, dem Fluchenden der Moment“, sagt Sabine Benz und erweitert das Zielpublikum auf die Freunde der Philosophie. Man darf gespannt auf die ersten Lesungen aus dem Werk sein.
Foto 1: Thomas Dahl – Sabine Benz lässt Bilder für sich sprechen.
Foto 2: Repro. Sabine Benz – Erratet ihr die Emotion?
Informationen:
„Computer Tourette … und andere Wortspielereien – Das Malbuch für Erwachsene“
Autorin: Sabine Benz
2019
Preis:
15,00 €
Kontaktdaten:
Sabine Benz
Bestellbar über: benz@sabinebenz.de
Webseite: www.sabinebenz.de