Stadt- und Fotogeschichte am Beispiel unserer geliebten Kathedrale

Der Kölner Dom zählt Umfragen zufolge zu den beliebtesten Zielen der Touristen in Deutschland. Entsprechend oft wird er fotografiert – angeblich soll er das meistfotografierte Bauwerk der Erde sein. Zu diesem Rekord tragen aber sicher auch die Profis bei. Wie sie die Kathedrale sehen, zeigen jetzt der aktuelle Dombaumeister Peter Füssenich und seine Vorgängerin Barbara Schock-Werner mit ihrem Pracht-Bildband „Der Dom“: ein faszinierender Spaziergang durch rund 170 Jahre Foto-, Stadt- und Kirchengeschichte der Stadt Köln.

Ikonen der Foto- und Stadtgeschichte Kölns

Bekannte Namen wie August Sander, Anselm Schmitz, Karl Hugo Schmölz, Margaret Bourke-White, Chargesheimer oder Winfried Kralisch fanden sich in zahlreichen Archiven und Sammlungen als Fotografen der insgesamt über 150 Abbildungen. Eine Ikone für die Dombaugeschichte ist Anselm Schmitz’ Bild aus dem Jahr 1881: Zu sehen ist ein Mann neben der mehr als elf Mal so großen Kreuzblume an der Spitze des Nordturms. Und eine Ikone für die Stadtgeschichte der Blick der US-Fotografin Lee Miller (1945) vom Südturm über das Hauptschiff auf die zerstörte Hohenzollernbrücke.

Besonders glücklich – so Schock-Werner – sind die beiden Verfasserinnen über die Bilder von Ruth Hallensleben. Sie fanden sie im Fotoarchiv Ruhr-Museum/Zeche Zollverein in Essen. Hallensleben fotografierte die Wiederaufbauarbeiten in den frühen Nachkriegsjahren. Darunter eine Rarität: Der Maler Peter Hecker bei der Arbeit an der Orgelempore.

Preußens König trieb die Dom-Vollendung voran

1882 wurde der Dom fertig gestellt. Nach 632 Jahren Bauzeit – auch das ein Rekord, an dem sich die Kölner bis heute ein Vorbild nehmen. Nach Jahrhunderten des Stillstands waren 1842 dank preußischer Königshilfe mit einer Grundsteinlegung die Bauarbeiten wieder aufgenommen worden.

Hohe Domkirche Köln/Dombauhütte – Das erste dokumentierte Foto vom Dom: Franz Michiels machte es schon 1853. 

Schon 13 Jahre später entstand das erste nachweisbare Foto der – noch unvollendeten – Kathedrale (nach dessen Ankündigung muss der Leser des Buches allerdings noch 100 Seiten weiterblättern, um es zu sehen). Sein Urheber: Der Belgier Johann Franz Michiels. Das jüngste Bild in diesem Buch entstand 2017: Der Kölner Boris Becker fotografierte die Portale des südlichen Querhauses. Deutlich heben sich durch die helle Tönung die Kopien der Figuren ab – August Sander sah gut 80 Jahre vorher noch die Originale.

Als der Dom noch mitten im Häusermeer stand

Michiels stieg seinerzeit auf den Turm von St. Martin. Sein Foto zeigt den Dom noch ohne Türme, dafür mit dem kleinen Kran auf dem Rumpf des Südturms – über Jahrhunderte das Wahrzeichen Kölns. Und schon mit vielen der Baugerüste, ohne die der Dom noch bis vor Kurzem undenkbar gewesen war. Und inmitten von Häusern, erst nach seiner Fertigstellung wurde er nach und nach „freigestellt“. Anselm Schmitz ließ ihn 1880 sogar noch aus einem Wald herauswachsen – vom Garten des erzbischöflichen Wohnsitzes aus fotografiert.

Hohe Domkirche Köln/Dombauhütte – 1855 blickte Franz Michiels von Westen auf den Chor des Doms: Bahnhof und Hohenzollernbrücke waren noch Zukunftsprojekte. 

In sieben Kapiteln wird die überwiegend schwarz-weiße Fotogeschichte des Doms aufgeblättert. „Die Vollendung“ umfasst die Jahre bis zur Fertigstellung 1882. Umfangreich auch der Abschnitt „Kriegszerstörung und Wiederaufbau“: Hier wird die Legende widerlegt, der Dom habe die Bombenangriffe unbeschädigt überstanden.

Vergleiche zwischen damals und heute

Separat, detailreich und immer wieder mit überraschenden Perspektiven werden dann – ebenfalls chronologisch – die Entwicklungen an West-, Süd-, Ost- und Nordseite sowie des Innenraums nachvollzogen. Besonders spannend wird es, wenn Vergleiche zwischen einst und heute gezogen werden können. Etwa der freie Blick auf die Ostfassade von Theodor Creifelds: 1863 wurde sie noch nicht von den Türmen überragt. Besonders reizvoll der Kontraste zwischen der gotischen Kathedrale und der modernen WDR-Architektur.

Immer wieder war der Dom von Bauarbeiten umgeben: Noch bis in die späten 1960er Jahre standen auf seiner Südseite hohe Bäume – sie mussten dem Roncalliplatz und dem Römisch-Germanischen-Museum weichen. 1970 wurde im Norden für die neue U-Bahn gebaggert. Noch nicht allzu lange ist es her, dass auf der Nordseite Fritz Schallers „Drachenzähne“ und Betonpilze die Domplatte begrenzten. Die Sanierung der Nordtreppe hat noch keinen Eingang in dieses Buch gefunden. Und etwas wehmütig wird der Betrachter, wenn er auf Fotos die Treppen sieht, die auf der Westseite zum Haupteingang führten: Da thronte der Dom noch erhaben über der Stadt. 

Es ist ein – oft mit Nostalgie gemischtes – Vergnügen, sich durch das Buch zu blättern. Zwei ärgerliche Handicaps aber gibt es. So fehlt ein Namensregister der rund 30 Fotografen mit Seitenzahlen – und Letztere fehlen gleich auf manchen Seiten. 

Informationen:

„Der Dom“
Autor*innen: Peter Füssenich, Barbara Schock-Werner
208 Seiten
Herausgeber: Greven Verlag

Preis:

38,00 €

Verlag:

Greven Verlag Köln GmbH
Webseite:
 https://shop.greven-verlag.de/der-dom.html

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