Zeugnis einer verrückten Zeit
Lockdown oder nicht? Das ist das große Streitthema in diesen Corona-Zeiten. Und egal, wie locker oder streng der Lockdown verordnet und befolgt wird, er kann auch – zumindest ästhetisch – schöne Seiten haben. Die hat der Kölner Fotograf Klaus Wohlmann aufgespürt und jetzt rund 50 Bilder unter dem Titel „Fotografie im Lockdown“ veröffentlicht.
In Köln, Wuppertal, Frankfurt und Münster war Wohlmann im letzten Halbjahr auf Tour, fotografierte schwarzweiß und in Farbe. Immer mit dem Blick für den außergewöhnlichen Moment, die ungewöhnliche Perspektive, mal eher Schnappschuss, mal auf den richtigen Augenblick gewartet. Und dann in dem selbstverlegten Buch großzügig präsentiert.
Da ist die leere Kreuzung mit den Richtungspfeilen. Das nächtliche Köln, wo er genau in dem Moment auf den Auslöser drückt, als ein Mann als Schatten an einer Leuchtsäule vorbeigeht. Augenblicke mit verstörender Anziehungskraft. Ja, auch Menschen sind zu sehen. Aber immer nur wenige, meist sind sie alleine. Sie warten in leeren Bahnhöfen auf einen Zug, stehen Schlange, gehen durch leere Straßen, gucken aus dem Fenster, werfen Schatten. Immer mit Maske, immer mit empfohlenem Mindestabstand.
„Fuck Death“ – aber ohne Maske
Nur ein Foto fällt aus der Rolle: Von einer Brücke herab hält das Foto fest, wie sich eine junge Frau ohne Maske vier jungen Männern nähert. Die stehen mit dem Rücken zum Fotografen, unklar also, ob sie Masken tragen. Die Frau trägt ein Skateboard, darauf steht „Fuck Death“.
Der Betrachter weiß, dass die gezeigten leeren Plätze sonst wohl dicht bevölkert sind. Ob die Cafes, in denen sich jetzt die ungenutzten Stühle stapeln. Oder die Straßen, U-Bahnhöfe oder Spielplätze, ohne Corona belebte Treffpunkte. Insbesondere die menschenleeren Architekturfotos könnten auch außerhalb von Corona gemacht worden sein. Doch in diesem Zusammenhang erhalten sie eine besondere Stimmung, zeigen deutlicher als gewohnt unmenschliche Proportionen und architektonische Kälte – erträglich nur durch Menschen, die die Orte füllen.
Bleibt zu hoffen, dass Klaus Wohlmann solche eindrucksvollen Fotos nicht mehr lange machen kann, machen muss. Und auf Bilder von Menschenmassen, die sich in Coronazeiten ohne Masken dicht an dicht drängen und gegen Schutzmaßnahmen „protestieren“, kann man gerne verzichten. Die sind in keiner Hinsicht schön. Aber das ist ein anderes Thema.
Fotos: Klaus Wohlmann – Fotos aus dem Buch „Fotografie im Lockdown“
Infos:
„Fotografie im Lockdown“
Autor: Klaus Wohlmann
68 Seiten
Köln, 2021
Preis:
19,90 €