Offen für aktuelle Themen und neue Wege der Umsetzung
Es tut sich was im Freien Werkstatt-Theater (FWT) am Zugweg: Die künstlerische Leitung bekommt nicht nur zwei neue Mitarbeiter, man will das kommende Jahr auch mit einem neuen Programmkonzept füllen. Gerhard Seidel vom bisherigen Leitungsduo will sich künftig auf die Finanzen konzentrieren.
Guido Rademachers, seit 2012 mit Gerhard Seidel im Wesentlichen für die Programmgestaltung zuständig, erhält mit Jascha Sommer und Dandan Liu nach einer offenen Ausschreibung zwei neue Kolleginnen. Sommer kommt aus Köln, entwickelte unter anderem in NRW Veranstaltungsreihen für das Impulse Theater Festival und das Theaterfestival Favoriten. Als Künstler ist er Spezialist für ortsspezifische Performances, Installationen und Audio Walks.
Mit neuen Ideen von der Spree an den Rhein
Dandan Liu wurde 1989 in Peking geboren, 2012 kam sie nach Berlin um dort Theterwissenschaften zu studieren. In ihrer Arbeit etwa für das Residenzprogramm des Asian Performing Artist Labs und des Tanztage-Festivals greift sie transkulturelle Perspektiven auf. Als Produktionsdramaturgin arbeitete sie im Berliner Hebbel am Ufer (HAU) dem Tanzhaus NRW oder dem Prague Quadrennial 2019.

Das neue Leitungsteam am Freien Werkstatt-Theater: Guido Rademachers, Dandan Liu, Jascha Sommer, Gerhard Seidel (v.l.). – Foto: JS
Das Trio Rademachers, Sommer und Liu will das Programm des FWT „schärfen und thematisch neu ausrichten“. So wird man nicht mehr nach publikumswirksamen Stücken gucken, sondern die Spielzeit unter ein Motto stellen und dazu entsprechende Stücke suchen oder neu entwickeln. Erste Themenschwerpunkte werden – hart an der politischen und gesellschaftlichen Aktualität – der globale Rohstoffhandel und neue Konzepte des Gemeinschaftlichen und des Zusammenlebens sein.
Das Theater zu einem Ort des Austausches machen
Dazu werden dann nicht nur schon geschriebene Theaterstücke ausgesucht, sondern über ein Open-Call-Verfahren alle Interessierten eingeladen, sich mit ihren Ideen zu beteiligen. Dazu können auch Lesungen, Diskussionen, Mitmach-Aktionen oder andere Veranstaltungsformen gehören. So glaubt man besser aktuelle Themen aufgreifen zu können und das Theater mehr als bisher zu einem Ort des Zusammenkommens, des Austausches und der Diskussion zu machen.
Gerhard Seidel ist sich der Gefahr bewusst, dass dies – zumindest – anfangs – zu niedrigeren Besucherzahlen führen kann. Er ist aber optimistisch, so langfristig vor allem jüngere Menschen ins Theater holen zu können. Dafür spreche auch, dass das nach Corona eingeführte „solidarische Preissystem“ gut angenommen werde. Danach entscheiden die Besucher selbst, welchen Eintrittspreis sie zahlen.
Grundsätzlich aber sieht er die gesamte deutsche freie Theaterszene hinsichtlich der Finanzen in der Klemme. So fehlen dem FWT jährlich 140.000 Euro, wollte es seine Mitarbeiter – feste ebenso wie freie – nach Tarif bezahlen. Angesichts angekündigter Kürzungen der Fördermittel drohe der Szene langfristig das Aus.