„Café populaire“: Ein Spiel über die (deutschen) Gesellschaft von heute – mit Mirka Ritter, Renate Fuhrmann, Felix Bold und Lisa Sophie Kusz (v.l.). – Foto: Jan Niklas Berg / FWT

Ein Blick auf den aktuellen politischen Klassenkampf

Die politische Welt ist in Bewegung. Klassische Fronten wie rechts und links verschwimmen. Grenzen zwischen traditionellen Gesellschaftsklassen lösen auf. Gegenseitige Ressentiments bestimmen die politische Diskussion. In diese Stimmung entführt das Theaterstück „Café populaire“ von Nora Abdel-Maksoud. Der aktuelle Hit auf deutschen Bühnen steht jetzt auch im Freien Werkstatt-Theater auf dem Programm.

Für das Restaurant „Zur goldenen Möwe“ wird ein neuer Besitzer gesucht. Für Svenja (Lisa Sophie Kusz), von Beruf Clownin in einem Hospiz, würde sich damit ein Traum erfüllen. Doch sie hat einen Konkurrenten: Aram (Felix Bold), der sein Geld unter anderem als Postbote, Kellner, Putzmann, Masseur oder Altenpfleger verdient. Dann die Überraschung: Die von ihm betreute Püppi (Renate Fuhrmann) entpuppt sich nicht nur als Besitzerin des Restaurants, sondern auch als kampfgestählte Alt-Linke.

Püppi braucht einen Rollator – ist aber alles andere als altersschwach. Schon gar nicht altersmilde. – Foto: Jan Niklas Berg / FWT

Linke Nostalgie: Am Ende weht die rote Fahne´´

Darum weniger überraschend: Sie wählt Aram als neuen Besitzer. Neue Überraschung: Aram ist gar nicht der Vertreter des „Dienstleistungsproletariats“ mit Migrationshintergrund. Als solcher hat er sich nur ausgegeben, weil er eine Wohnung sucht und Vater wird. In Wirklichkeit ist er durchaus wohlhabend. Trotzdem: Er soll das Restaurant übernehmen, was Svenja gar nicht gefällt. Am Ende hisst Püppi die rote Fahne: Es lebe der Klassenkampf!

So weit die Geschichte mit ihren schillernden Protagonisten. Da ist neben Püppi und Aram nicht zuletzt Svenja, eine klassische Aufsteigerin, die sich aus kleinbürgerlichen Verhältnissen hochgearbeitet hat, sogar in den USA studierte. Nun will sie als „weiblicher Keaton“ die Welt mit einer Mischung aus Humor und Humanismus retten, eben dem „Humornismus3

Svenja (Lisa Sophie Kusz) tritt über Live-Video mit sich selbst in den Dialog. – Foto: Jan Niklas Berg / FWT

Die Überheblichkeit der gesellschaftlichen Aufsteigerin

Dabei blickt sie immer wieder verächtlich auf sozial Schwächere herab, entlarvend ihr Versprecher, als sie ihren Konkurrenten „Arm“ statt Aram nennt. Ihr im Nacken sitzt „Don“ als Alter Ego (Mirka Ritter). Es führt Regie in Svenjas politischen Dialogen, ist sowohl selbstkritisch wie überheblich-herablassend.

Zusammmengefasst also eine Geschichte, die das aktuelle politische Geschehen in Deutschland gut, unterhaltsam und kritisch zusammenfasst. Doch fehlt in der Inszenierung von Guido Radermacher der Spannungsbogen, und 105 Minuten Spielzeit ohne Pause sind dann eindeutig zu lang. Daran ändert auch nichts, dass der Regisseur die Handlung exemplarisch ins Köln-nahe Horrem verlegt hat.

Spannung fehlt an diesem Abend – trotz des engagierten Ensembles. Hier Lisa Sophie Kusz – Foto: Jan Niklas Berg / FWT

Das spricht nicht gegen die Leistung und den vollen Einsatz des Ensembles, vor allem die „inneren Dialoge“ zwischen Svenja und Don verlangen volle Aufmerksamkeit. Doch die wird immer wieder durch technische Mängel am Headset-Mikro erschwert, wovon vor allem Mirka Ritter betroffen ist.

Ein langer Theaterabend. Aber immerhin darf auch gelacht werden. Was dem Publikum eingangs eindrücklich erlaubt wird. Etwa über Slapstick-Einlagen. Und die ein oder andere gegenseitig herablassende Äußerung über den – oder die – anderen Mitspieler. Aber vielleicht lacht das Publikum da auch nur, weil es sich bei seinen eigenen Vorurteilen etwa gegenüber Ikea-Fans, reiche Erben, Individualtouristen, Weinkenner, Trinkgeld-Knauser, Homophobie oder faule Arme Gedanken ertappt fühlt.

Und warum kann man an diesem Theaterabend so gut Witze über Arme machen, ist Svenjas letzte Frage an das Publikum: „Weil sie sich die Karten eh nicht leisten können.“Der Premierenbeifall ist unausweichlich.

„Café Populaire“

Zeiten:

Die nächsten Vorstellungen: 27. und 28. September, 11. und 12. Oktober (jeweils 20 Uhr)

Ort:

Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln

http://www.fwt-koeln.de, Kartenbestellungen: 0221 / 32 78 17

Anfahrt:

KVB-Linien Bahn: 13, 15, 18

Bus: 106, 132, 133, 142 – jeweils Chlodwigplatz

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