
„Irgendwas fehlt immer“: Blick in die Ausstellung des Tanzarchivs. Foto: Jürgen Schön
Ausstellung zeigt Geschichte und Zukunft des Tanzarchivs
„Das Kölner Tanzarchiv ist international eines der bedeutendsten. Jetzt soll es – unterstützt von Stadt, Land und der Trägerinstitution SK Stiftung Kultur – zum Forschungs- und Kompetenzzentrum NRW erweitert werden. Wie das gehen soll, zeigt die aktuelle Ausstellung „Irgendwas fehlt immer“. Sie zeichnet die Entwicklung der Tanzarchive nach – hört sich auf den ersten Blick langweilig an, ist aber spannend und dank modernster Technik im wahrsten Sinne des Wortes mitreißend.
Archiv – das klingt für Otto Normalverbraucher und Erika Musterfrau erst einmal langweilig. Die Ausstellung greift dieses Vorurteil selbstironisch auf und eröffnet den Parcour mit gut konserviertem Archivstaub und einer ausgestopften Archivratte. Dann geht es historisch weiter: Der Franzose Raoul-Auger Feuillet war um 1700 der erste, der die Tanzschritte seines Kollegen Louis Pecour auf Papier festhielt und so nachtanzbar machte. Es soll Ausstellungsbesucher geben, die dies anhand der gezeigten Beispiele versuchen.
Viele Tänzer-Nachlässe bereichern die Sammlung
Bald wurden diese Aufzeichnungen Vorbild für spätere Choreographen. Die ersten Tanzarchive entstanden. Und schon bald sollte sich deren Bestände erweitern: bekannte Tänzerinnen und Tänzer vermachten ihnen ihre Berufskleidung, ihre Ballettschuhe, ihren Schmuck, ihre Briefe. Oder – ganz aktuell – das „Bewegte Tagebuch“ von Foteini Papadopoulou aus dem Jahr 2020: Täglich hielt sie zwei Tanzbewegungen fest, auf Papier und filmisch. Ganz zu schweigen von den vielen Presseberichten und -kritiken, die ihren Weg in Archive finden.

Partitur zu „Kreuzigung. Spielgang Werk VII“ von Lothar Schreyer. Deutsches Tanzarchiv Köln
Das Interesse der Archive richtete sich bald nicht nur auf klassischen Bühnentanz. Auch die Tänze indigener Völker Nordamerikas oder Afrikas wurden fotografiert und gezeichnet. Womit manchmal sicher auch (heimliche) erotische Wünsche befriedigt wurden.
Wie sieht das Archiv der Zukunft aus?
Inmitten der interessanten Exponate stehen vier Tischen mit leere Archivkartons. Sie warten auf Inhalte, auf greifbare Antworten auf die Fragen, die im Vorfeld dieser Ausstellung von Experten und Studenten erarbeitet wurden. Zum Beispiel, wie sich Tanzarchive vernetzen können. Oder: „Sind 100 Objekte genug, um Tanz zu repräsentieren? Doch „Irgendwas fehlt immer“ (halb offiziell auch „Irgndws fhlt immr“ genannt) – stellt der Ausstellungstitel fest. Richtig konkret werden die Wünsche nach Lückenfüllung allerdings nicht. Einen nennt Archivdirektor Thomas Thorausch auf Nachfrage dann doch: Gespräche mit Zeitzeugen über die Zeit des Bühnentanzes unmittelbar nach 1945.

Das imageprägende Werkzeug eines Archivars: Papier und Handschuhe. Foto: Jürgen Schön
Die Exponate sind zwar durchweg interessant und spannend, doch wirkt alles auf den ersten Blick recht konventionell. Wäre da nicht die Einbeziehung modernster Technik, die zeigt, wie ein Archiv künftig breites Interesse wecken kann. So kann sich der Besucher eine VR-Brille ausleihen und den Avataren aus der Werkstatt von Nico and the Navigators beim Tanzen zusehen. Kaum zu glauben, was die drauf haben – da wird es wohl manchen in den Gliedern jucken, das nachzumachen. Wenn die virtuellen Gliederpuppen allerdings durch die Luft fliegen, dürfte es damit zu ende sein.

Eine Besucherin kann der Aufforderung zum Nachtanzen nicht widerstehen. Foto: Janet Sinica
Mittanzen ausdrücklich erwünscht – mit Noten
Ganz anders gegen Ende der Ausstellung. Hier fordert die digitale Tanzschule „Just dance“ auf, vor allem Disco-Tanzbewegungen auf einem Monitor nachzumachen. Und es kann sogar überprüfen, ob das klappt und entsprechende Noten verteilen. Das fängt vor allem jugendliche Besucher und Besucherinnen ein. Beschäftigung mit Archiven kann eben auch schweißtreibend sein. Zum Glück locken ganz am Schluss weiche Liegekissen, von denen aus moderne Reiches Begleitprogramm: Tanzfilme zu bestaunen sind.
Zeiten:
bis 18. Februar 2024
täglich, außer mittwochs, 14:00 Uhr – 19:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 5,50 €
Ermäßigt: 3,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
SK Stiftung Kultur
Adresse: Im Mediapark 7, 50670 Köln
Webseite: www.deutsches-tanzarchiv.de