„O, viel vermag die Stimme, die im Volke geht.“
Einst bestimmten Götter, was Gerechtigkeit war. Wer ihren blutigen Rachegesetzen nicht folgte, verfiel der Verdammnis. Nur langsam entwickelte sich ein irdisches Rechtssystem. Diese Befreiung des Menschen ist zentrales Thema der „Orestie“ des griechischen Dramatikers Aischylos. Im Theater im Bauturm hat Kathrin Mayr den antiken Klassiker, ein Plädoyer für Demokratie, jetzt auf die Bühne gebracht.
Dunkel ist die Bühne. Erdschollen überlagern sich, dazwischen stehen Figuren von Raben. Eine düstere, spannungsgeladene Atmosphäre, Gewalt liegt in der Luft. Klytämnestra taucht auf, die Gattin von König Agamemnon, der sie vor zehn Jahren verlassen hat, um gegen Troja in den Krieg zu ziehen. Jetzt das Gerücht, dass er bald siegreich nach Hause kommt. Und dann Posaunen, ein Bote taucht auf: Troja existiert nicht mehr, der König von Mykene kommt zurück.
Eine Familientragödie bahnt sich an
Doch statt Familienglück beginnt die Familientragödie. Klytämnestra hat in Agamemnons Abwesenheit ein Verhältnis angefangen. Agamemnon hat zu Beginn des Kriegszugs auf Befehl der Götter die gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert. Grund genug für Klytämnestra, ihn zu ermorden – zumal er als Beute die trojanische Königstochter Kassandra mitgebracht hat. Sklavin und Konkubine zugleich. Auch sie wird von Klytämnestra umgebracht.
Nun ist es Sache von Sohn Orest, seinen Vater zu rächen und die Mutter zu ermorden. Er folgt diesem archaischen Gesetz – und wird nun seinerseits zum Ziel der Erinnyen. Doch er flieht vor den Rachegöttinnen nach Athen. Ein Rat von Apollo, der ihm vorher den Befehl zur Ermordung der Mutter gab. Mit dem Rat, sich dort an das weltliche Gericht zu wenden, wechselt der Gott quasi die Seiten: Irdisches Recht soll gelten und nicht mehr göttliche Gesetze. Und Orest wird frei gesprochen.
Überzeugung durch Mimik und Gestik
Kathrin Mayr hat die „Orestie“ als düstere Parabel inszeniert, kann sich dabei voll auf das Bühnenduo Fiona Fetscher und Mario Neumann verlassen, pointiert unterstützt werden sie von Live-Drummer Henning Nierstenhöfer (dazu Neumann mit der grellen Klarinette). Fetscher und Neumann spielen nicht nur die verschiedenen Menschen und die Götter. Sie ziehen das Publikum auch durch Sprechkunst, durch präzise und sparsame, dadurch aber umso überzeugendere Mimik und Gestik in ihren Bann.
Das Stück lässt sich als Werberede für die Demokratie verstehen, als Werbung für den Rechtsstaat, in dem Parteien in einen geordneten Wettstreit um Wähler treten. Plädoyers dafür hat das Theaterteam unter anderem bei Gerhard Baum (Ex-Bundesinnenminister), Amtsrichterin Katrin Benedict und Historiker Georg Eckert eingeholt. Ihre Statements werden als Video eingeblendet. So erhält diese Inszenierung – sie hatte schon in der vergangenen Spielzeit Premiere – ihren aktuellen Bezug. Auch nach der jüngsten Bundestagswahl. Und zum Schluss werden die Raben, Boten des Unheils, von der Bühne geräumt
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Foto 1: Laura Thomas – „Die Orestie“: Fiona Fetscher ist Klytämnestra und Kassandra.
Foto 2: Laura Thomas – „Die Orestie“: Mario Neumann ist Agamemnon und Orest.
Termine:
26. November 2021:
20:00 Uhr
27. November 2021:
20:00 Uhr
28. November 2021:
18:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 23,60 €*
*inkl. VVK-Gebühren
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Theater im Bauturm
Adresse: Aachener Straße 24-26, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 52 42 42
Webseite: https://www.theaterimbauturm.de/spielplan/repertoire/die-orestie/
KVB: Linien 1, 7, 12, 15: Rudolfplatz