Fälschung oder Original?

Gerüchte über Fälschungen russischer Avantgarde-Künstler in der Kölner Sammlung Ludwig gab es schon in den 1980er Jahren. Vor neun Jahren begann das Museum Ludwig, seinen Bestand daraufhin in einer internationalen Zusammenarbeit wissenschaftlich zu untersuchen. Jetzt stellt es das Ergebnis in der Ausstellung „Russische Avantgarde im Museum Ludwig – Original und Fälschung: Fragen, Untersuchungen, Erklärungen“ vor.

Wer Titanweiß benutzte oder eine Polyesterleinwand, die es noch gar nicht gab, als das Gemälde angeblich entstand, hat schlechte Karten als Original anerkannt zu werden. Ersteres wurde bei einer chemischen Analyse im Bild „Suprematismus“ von Nikolai Suetin festfestellt. Es kann also kaum – so die bisherige Zuschreibung – 1920/21 entstanden sein, denn Titanweiß gibt es erst seit den späten 1930er Jahren.

Auch die Verwendung von Manganblau macht verdächtig

Auch die Verwendung von Manganblau kann aus ähnlichen Gründen Zweifel wecken. Wie bei dem „Stillleben mit Glas und Flaschen“ angeblich um 1914 von Ljubow Popowa gemalt. Neben der Material-Untersuchung stellten hier auch maltechnische, kompositorische und stilistische Vergleiche die bisherige Zuordnung in Frage. 

100 Gemälde umfasst die Kölner Sammlung russischer Avantgarde, darunter so bekannte Namen wie El Lissitzky oder Kasimir Malewitsch. 49 wurden im Rahmen des Forschungsprojekts untersucht, die weiteren werden folgen. Die aktuellen Ergebnisse werden jeweils übersichtlich und auch für den Laien nachvollziehbar präsentiert. 

Statt von Fälschung spricht man lieber von „zweifelhaft“ 

Wenn es im Ausstellungstitel auch werbewirksam „Fälschung“ heißt: Offiziell und in den Ausstellungstexten spricht man bei den 22 „erwischten“ Bildern nur von „Zuschreibung zweifelhaft“. „Fälschung setzt einen bewussten Betrug voraus“, erklärt Museumsdirektor Yilmaz Dziewior, „wir waren aber weder bei der Produktion noch beim Verkauf dabei.“ Vielleicht wurde ja im Laufe der Geschichte bei den Echtheits-Zertifikaten auch nur etwas verwechselt. 

Rechtliche Schritte wie Rückabwicklungen oder Schadensersatzforderungen werde man auch nicht einleiten, schließlich sei dem Museum kein Schaden entstanden. Im Gegenteil: Der jetzt mögliche Vergleich zwischen echt und zweifelhaft sei ein Gewinn für jeden Besucher. Da hat er zweifellos Recht – und nicht nur ausgesprochene Fans russischer Avantgarde sollten diese Gelegenheit der Augenschulung nutzen. Etwa bei der Gegenüberstellung von zwei Bildern mit dem Titel “Malerische Architektonik“ von Ljubow Popowa: Das eine ist ein ausgeliehenes Original aus der Madrider Sammlung Thyssen-Bornemisza, das andere kam über eine Kölner Galerie in die Sammlung Ludwig und gilt jetzt nach der gründlichen Überprüfung als „nicht eigenhändige Kopie“. 

Foto 1: Jürgen Schön – Blick in die Ausstellung: Ausführlich und verständlich wird erklärt, warum das rechte Bild ein Original von Ljubow Popowa ist und das linke keine „eigenhändige Kopie“ ist.
Foto 2: Museo Nacional Thyssen-Bornemisza – Original-Leihgabe aus Madrid: Ljubow Popowas „Malerische Architektonik“ aus dem Jahr 1918. 
Foto 3: Rheinisches Bildarchiv, Köln – Diese „Malerische Architektonik“ aus der Sammlung Ludwig soll Ljubow Popowa 1920 gemalt haben. Davon sind die Forscher heute nicht mehr überzeugt. 

Zeiten:

Bis zum 3. Januar 2021

Preise:

Eintritt des Museums:
Erwachsene: 
11,00 €
Ermäßigt: 
7,50 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Museum Ludwig, Köln
Adresse: Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Telefon:
0221 – 221 261 65
Webseite: www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/russische-avantgarde-im-museum-ludwig-original-und-faelschungfragen-untersuchungen-erklaerungen
KVB:
Linien 5,16, 18: Dom/Hbf
Linie 5: Rathaus

Diesen Artikel weiterempfehlen: