Pia Klemp ist Kapitänin. Vor allen Dingen aber ist sie eine Verbrecherin. Das zumindest besagt das italienische Gesetz. Seitdem in Italien 1998 das Decreto legislativo Nr. 286 auf den Weg gebracht wurde, hat sich die Situation für Immigranten in dem Stiefelstaat dramatisch verschärft. Gedacht als Werkzeug gegen illegale Einwanderung und gegen die Machenschaften krimineller Schlepperbanden, zog sich die Schlinge des Gesetzes über die Jahre immer enger zu, insbesondere nach der Ernennung Matteo Salvinis zum (mittlerweile ehemaligen) Innenminister des Landes. Nachdem die politische Elite Europas im Zuge der Migrationskrise ihr leyenhaftes und auf individuelle Interessen indoktriniertes Antlitz entblößte und die Grenzstaaten beispiellos im Stich ließ, wuchs in Italien die Verunsicherung und Ablehnung gegenüber Flüchtlingen, was sich wiederum in einer härteren Auslegung der Immigrationsgesetze niederschlug. Plötzlich gerieten nicht nur Flüchtlinge und Immigranten in das Visier der Behörden, sondern auch Personen und Institutionen, die sich aktiv in der Seenotrettung betätigen. Anstatt eine Fahrt in die Heimat erwarten die Seenotretter nun bis zu 15 Jahre Gefängnis, Millionenstrafen und beschlagnahmte Schiffe. Ein enormes Risiko also, welches jene zivil agierenden Personen auf sich nehmen, um Leben zu retten. Und die dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen…

Das Benefizkonzert „SOS – Save Our Souls“ möchte nun ein Zeichen setzen und den Menschen rund um Pia Klemp, Carola Rackete und Claus Peter Reisch zeigen, dass sie in ihrem Kampf nicht alleine sind. Am 3. Oktober kommen in der Philharmonie Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zusammen, die auf ihre eigene Art und Weise zu zeigen versuchen, dass sie hinter den Aktivitäten der Seenotretter stehen. Und nein, es geht nicht darum, kleinlaut „Danke“ zu sagen. Es geht um Solidarität. Das bekräftigt auch Hans Mörtter, Pfarrer der evangelischen Lutherkirche in der Südstadt. „Die Veranstaltung ist keine politische“, stellt er als einer der Initiatoren die Intention klar. „Sondern eine solidarische. Wir wollen zeigen, dass wir uns als Kölner an die Seite von Pia Klemp und ihren Mitstreitern stellen.“

Das offenkundige Ziel ist es, die Philharmonie komplett vollzubekommen. „Die Location fasst bis zu 2.200 Menschen. Alles andere als eine ausverkaufte Philharmonie wäre eine Enttäuschung.“ Es ist also an euch, zu zeigen, dass Köln ein Synonym für Mitmenschlichkeit ist und dass sich die Menschen der Stadt aktiv für die Seenotrettung einsetzen. Jeder im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten. „Aus der Politik kommen nichts als leere Worte“, beklagt Mörtter, der sich auch privat für Flüchtlinge engagiert. „Aber wir befinden uns in Zeiten des Aufbruchs, das Bewusstsein hat sich geändert. Die Menschen gehen auf die Straße, wehren sich gegen Ungerechtigkeiten und erheben ihre Stimmen für die Unsichtbaren.“ Welche Gelegenheit wäre da passender als ein Benefizkonzert am Tag der Deutschen Einheit, der exemplarisch für die Öffnung einer Gesellschaft steht? Welcher Tag, wenn nicht der Tag der Deutschen Einheit, bietet eine bessere Grundlage, um Mauern einzureißen und Brücken zu bauen?

Für die entsprechende Einstimmung sorgen an jenem Abend mehr als ein Dutzend Künstlerinnen und Künstler, die vielleicht nicht die größten Namen im Business sind, die aber „eine enorme Qualität“ mitbringen und euch mit ihrer Kunst einen unvergesslichen Abend versprechen. Aus Köln sind unter anderem Navid Kermani, der eine Rede halten wird, das Cölner Barockorchester und Sandra Schwarzhaupt-Calderòn am Start, weitere Künstler wie beispielsweise Sabine Postel, das Repercussion Quartett oder Sina Kloke vervollständigen das Portfolio der Veranstaltung. Sie alle verzichten auf ihr Honorar, stattdessen fließt der Reinerlös der Veranstaltung in die Seenotrettung. „Wir haben bei der Auswahl der Künstler keine Ausnahmen gemacht, sie alle kommen aus der ersten Liga ihrer jeweiligen Disziplinen.“ Stellvertretend für die zahlreichen Seenotretter wird Pia Klemp vor Ort sein, die wie viele andere eine Anklage wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung an den Hacken hat.

Was nun noch fehlt, das seid ihr. Steht ihr mit den Seenotrettern auf einer Seite? Oder könnt ihr in gewissen Sphären gar Verständnis für die italienische Seite und die missliche Lage aufbringen, in der sich das Land befindet, wollt aber trotzdem ein Zeichen für Mitmenschlichkeit setzen und einen kleinen aber eigenen Beitrag leisten, der genauso wichtig ist wie das Seenotretten an sich? Wie schon Helmut Grönemeyer vor nicht allzu langer Zeit sagte: „Wenn Politiker schwächeln, […], dann liegt es an uns […], wie eine Gesellschaft auszusehen hat.“ Wir wünschen euch viel Spaß.

Foto 1: facts and fiction GmbH
Foto 2: Pia Klemp – Copyright Lisa Hoffmann


Anmerkungen: 

Weitere Interviews mit Hans Mörtter, die in diesem Kontext interessant sind:
Interview mit DOMRADIO
Interview mit der Initiatorin Südstadt-Leben e.V.

Ja, dieser Bericht lässt jedwede Objektivität vermissen. Denn bei all den komplexen Sachverhalten, die die Flüchtlingskrise mit sich gebracht hat, und selbst bei all der Kritik, die es in diesem Rahmen anzubringen gilt, so unterstützt die Rheinerlei UG die Aktivitäten der Seenotretter vollumfänglich.

Zeiten: 

3. Oktober 2019:
20:00 Uhr (Einlass 19:30 Uhr)

Preise: 

Eintritt: 18,50 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

KölnMusik GmbH/Südstadt-Leben e.V.
Adresse: Bischofsgartenstraße 1, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 280 280 (Ticketservice KölnMusik)
Webseite:
www.koelner-philharmonie.de/de/programm/sos-save-our-souls-ein-solidaritatskonzert-zugunsten-der-zivilen-seenotrettung/124221
www.sosprojekt.de
KVB: Linien 5, 16, 18:
Dom/Hauptbahnhof

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