Eine Wendeltreppe ins Nirgendwo
2009 arbeitete die erste Künstlerin im Rahmen des Kölner Istanbul-Stipendiums im dortigen „Galata-Atelier“. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten griffen seitdem in ihren dort entstandenen Arbeiten immer wieder auch die schwierigen politischen türkischen Verhältnisse auf. So auch Viola Yeşiltaç, die 2018 an den Bosporus reisen konnte. Jetzt gestaltet sie die aktuelle Ausgabe des Projekts „Kölner Kunstsäulen“, die noch bis Mitte Juni an 25 Litfaß-Säulen zu sehen ist.
„Schau’s dir an! Kendin görmen lazım! See it for yourself!“ ist der Auftrag ihrer Arbeit: Das Schwarzweiß-Foto einer Wendeltreppe umspannt die Litfaß-Säule und verwandelt diese so in ein anderes Objekt. Wer darin das symbolische Innere des Werbeträgers sehen will, ist aber auch willkommen.
Erinnerung an Proteste gegen Abbau von Demokratie
Die „echte“ Wendeltreppe stand einst im Istanbuler Atatürk-Kulturzentrum, einem symbolträchtigen Gebäude am Taksim-Platz. Hier prügelte die Polizei 2013 die sogenannten „Gezi-Proteste“ blutig zusammen. Diese richteten sich gegen den dort geplanten Neubau eines Einkaufszentrums. Dessen Fassade sollte an eine osmanische Kaserne an diesem Standort erinnern – ein vom politisch rückwärts gewandten türkischen Staatspräsidenten Erdogan forciertes Projekt. So richteten sich die Proteste bald auch gegen dessen Abbau von Demokratie, Meinungs- und Kunstfreiheit. Das Atatürk-Kulturzentrum wurde 2018 abgerissen.
„Ein wichtiger Ort für die Istanbuler und die kulturelle Szene wurde somit Geschichte“, erklärt die 1975 in Hannover geborene und heute in Köln arbeitende Künstlerin. Ihre Litfaß-Säulen-Arbeit versteht Viola Yeşiltaç als grundsätzlichen Appell: „Wir brauchen Räume, die uns einen Zugang zu anderen Kulturen ermöglichen!“
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Foto: Jürgen Schön – Am Erzbergerplatz steht eine von 25 Litfaß-Säulen mit der Arbeit von Viola Yeşiltaç.