NS-Dok erinnert an den Maler Felix Nussbaum

Felix Nussbaum war in den 1920er Jahren ein prominenter Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Als Jude verfolgt, ging er 1933 ins Exil. Ein sich drehender Wegweiser verweist auf seine Odyssee durch Europa. Ab 1937 konnte er sich in Brüssel verstecken, wurde 1944 verraten und ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dort ist er aller Wahrscheinlichkeit nach umgekommen. Mit Bildern des in Köln lebenden exil-russischen Künstlers Grigory Berstein erinnert jetzt die Ausstellung „wächst das Rettende“ im NS-Dokumentationszentrum an ihn.

Nussbaum (1904-1944) malte sein ganzes Leben – selbst in Auschwitz noch. Berstein interessiert, wie so Malerei zum Widerstand wurde, zum Widerstand gegen den Hass, den Nussbaum als Künstler und als Jude erfuhr.

Kölner Künstler seziert Nussbaums Selbstporträts

Berstein seziert vor allem Nussbaums Selbstporträts und zeichnet so – chronologisch gehängt – dessen Leben nach. Seine Aquarelle fangen den Betrachter zunächst durch ihre Größe ein, manche messen leicht 2 x 4 Meter. Auf den ersten Blick dominiert das kahle weiße Papier. Im Zentrum steht jeweils ein überlebensgroßes Selbstbildnis Nussbaums. Berstein zitiert dessen Gemälde in meisterlicher Aquarelltechnik und ordnet die darauf befindlichen Objekte in lockerer Ordnung neu. Aus einem anderen Vor-Bild „löst“ er den verwinkelten kahlen Baum und ersetzt ihn durch eine sich drehende knorrige Wurzel.

Die Bilder waren schon im Felix-Nussbaum-Museum zu sehen, das Osnabrück – Geburtsstadt des Künstlers – 1998 eröffnete. Dort hingen sie in einer großen Dachschräge, Nussbaums letzte Bilder dort, wo sie am niedrigsten – und damit „am bedrückendsten“ war, so Bersteins Worte.

Auch die eigene Familiengeschichte in Kunst umgesetzt

Auch ein Großteil von Bersteins Familie wurde von den Nazis ermordet. Der Auseinandersetzung mit dieser persönlichen Geschichte ist ein Nebenraum gewidmet. Zu sehen ist dort das Bild „Flucht über die Dächer“: Hastig dahin gezeichnet, laufen Mann, Frau und Kind über die Dächer – So konnten Bersteins Großeltern nach der Warnung eines bekannten in Kiew vor den Nazis fliehen. Oder die Installation „Laubhüttenfest“: eine – rundzelt-ähnliche – Laubhütte aus Obstkarton, deren Böden die Außenwand bilden. In den nach innengerichteten Rücken die Porträts von Mitgliedern oder Freunden der Familie Bernstein: In der Laubhütte trifft sich die „Mischpoke“, um an die Flucht aus Ägypten zu erinnern.

Am bewegendsten wohl der „Brief an den Vater“, eine Arbeit, die Berstein selber für eine seiner wichtigsten hält. Drei hintereinander liegende Plexiglasscheiben zeigen lebensgroß Sohn, Vater und Großvater, deren Bilder ineinander verfließen. Ringsherum der Brieftext: „Lieber Vater du bist fort und ich vermisse dich ich bin allein bitte komm ich warte auf dich. Dein Sohn.“

Berstein kam 1991 aus Moskau – hier wurde er 1948 geboren –  nach Köln. Dem NS-Dok ist er schon lange verbunden, etwa durch seine Plakate für den Schülergedenktag. Mit seiner aktuellen Ausstellung hat er Hausherr Werner Jung aus der Klemme geholfen. Denn eigentlich sollte jetzt die Ausstellung „Gespaltene Erinnerung“ aus Thessaloniki gezeigt werden. Dort gab es bis zur deutschen Besatzung die größte jüdische Gemeinde Griechenland. Corona hat die Ausleihe nach Köln verhindert.

Foto 1: Jürgen Schön – Ein Wegweiser zeigt Nussbaums Exilstationen.
Foto 2: Jürgen Schön – Grigory Berstein vor seiner Interpretation eines Nussbaum-Selbstporträts.
Foto 3: Jürgen Schön – Blick in die Installation “Laubhüttenfest”.

Zeiten: 

Bis zum 9. August 2020

Dienstag bis Freitag:
10:00 – 18:00 Uhr

Samstag und Sonntag:
11:00 – 18:00 Uhr

Preise:

Eintritt: Frei!

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

NS-Dokumentationszentrum
Adresse: Appelhofplatz 23-25, 50667 Köln
Webseite: www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum
360°-Rundgang zur Ausstellung
KVB: Linien 3, 4, 5, 16, 18: Appellhofplatz

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