Köln, wem gehörst Du?
Köln ist die Stadt der Staus. Nicht nur auf der Straßen herrscht Stillstand – auch bei großen Projekten. Nur wenige Stichworte: Nord-Süd-Bahn, Ost-West-Achse, Oper, fehlende Wohnungen und Schulen. Die Umsetzung bleibt im Kompetenzgerangel zwischen Politik, Verwaltung, Bürgern und Institutionen wie Polizei oder den Interessen der Wirtschaft auf der Strecke. Wer also hat hier das Sagen, wer entscheidet letztlich? Oder anders gefragt: „Köln – wem gehört die Stadt?“ So auch der Titel der neuen Klatsch-Ausgabe.
Wie schon die beiden Vorgänger zu den Themen Dreck und Müll sowie Klima finden sich auch hier wieder zahlreiche Beiträge kompetenter Autoren. Sie beleuchten die unterschiedlichen Mitspieler der Stadtgesellschaft. Übergreifend gleich zu Beginn die Feststellung: In Köln haben die Männer das Sagen – auch wenn ganz oben eine Frau namens Henriette Reker als Oberbürgermeisterin den höchsten Posten inne hat.
Diskrepanzen zwischen Verwaltung und Politik
Aber auch sie hat es in nun gut acht Jahren Amtszeit trotz guter Vorsätze nicht geschafft, dass etwa Politik und Verwaltung an einem Strang ziehen. Unterschiedliche Auffassungen und Vorgehensweisen zwischen beiden Seiten sind nicht unwesentlich für Pannen und Verzögerungen städtischer Großprojekte verantwortlich.
Hinzu kommt die Abhängigkeit der parteilosen OB von den sie tragenden Parteien und deren oft widerstreitenden Interessen. Gleiches gilt für die Dezernenten, die ihre Wahl den Ratsparteien verdanken. Umgekehrt sind die Parteien oft voreingenommen gegen Dezernenten, die nicht durch ihren Vorschlag ins Amt kamen. Hierarchische Spannungen um Zuständigkeiten gibt es zwischen Bezirksvertretungen und dem „Gesamt“-Stadtrat. Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke spricht vom Kampf „David gegen Goliath“.
Investorenwünsche vor gesellschaftliches Gemeinwohl?
Selbstkritische Worte findet Jörg Frank, ehemals Fraktionsführer der Grünen-Ratsfraktion, in einem Interview für die parteiorientierte Personalpolitik in der Stadt. Und er beklagt die Abhängigkeit der Politik von Investorenwünschen der Wirtschaft, die am Gemeinwohl der Stadt orientierte Politik verhindere.
Ein ausführlicher Beitrag widmet sich dem Kölner Wohnungsmarkt und den unterschiedlichen Interessen, die hier aufeinanderprallen. Sie verhindern, dass die jährlich angestrebten 6.000 Wohnungen keine Wirklichkeiten werden. Dass es auch anders geht, wird am Beispiel Hamburg gezeigt. In dem kleinen Bundesstaat werden jährlich mehr als die angestrebten 10.000 Einheiten gebaut. Warum das auf einem „extrem intransparenten“ Wohnungsmarkt allerdings gelingt, dieses Geheimnis verrät der Artikel nicht. Könnte es am Verhandlungsgeschick von Ex-Stadtchef Olaf Scholz liegen?
Einfluss der Kirchen schwindet
Tröstlich zu erfahren, dass der Einfluss der Kirche – insbesondere der katholischen – in Köln schwindet. Wobei man sich nicht nur im Sozialbereich mehr Persönlichkeiten wie Pfarrer Franz Meurer wünscht. Bleibt die Frage nach den Einflussmöglichkeiten der Kölner Bürgerinnen und Bürgerinnen.
Wem nun gehört die Stadt? Am Ende bleibt der Leser ratlos zurück. Eine klare Antwort gibt es nicht. Köln gehört allen, warum der eine oder die andere mehr Einfluss hat, wessen Interessen die Stadt im besten Sinne für alle voranbringen – diese Frage bleibt letztlich unbeantwortet.
Und, wem gehört die Stadt nun?
Die lokalen Medien leisten offensichtlich keine Hilfestellung – zumindest sind sie kein Thema. Ebenso wenig werden erfolgreiche Bürgerinitiativen vorgestellt – die gibt es ja durchaus. Wenn Sie sich auch manchmal gegenseitig im Wege stehen. Und eine Lösung der allumfassenden Selbstblockade ist offensichtlich nicht in Sicht – vielleicht liegt’s wirklich nur an der Kölner Mentalität, an der Sehnsucht nach „Harmonie-Sauce“, die Jörg Frank beklagt.
Konkrete Hilfe bietet die umfangreiche Auflistung von „Beschwerdemöglichkeiten“ am Schluss der Broschüre. Von den städtischen Anlaufstellen wie dem Online-Angebot „Sag’s uns“ sollte man allerdings nicht allzu viel erwarten, wie die „Klatsch“-Autorin und der Autor dieser Zeilen aus eigener Erfahrung wissen. Sind es Personalmangel, Arbeitsüberlastung oder Desinteresse der Verwaltungsmitarbeiter*innen?
Hilfreicher könnten da langfristig sicher die zahlreichen Bürgervereine, -initiativen oder Interessengemeinschaften in allen Veedeln sein. Hoffentlich ziehen die an einem Strang. Oder braucht’s doch nur einen starken Mann? Oder eine Frau…
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klatsch – Klartext für Köln Heft 3: „Köln – wem gehört die Stadt?“ – emons Verlag, Köln 2022. 106 Seiten, 9 Euro.