Kaum eine Sammlung ward in Köln mehr vermisst als die Lehrsammlung des einstigen Jesuitenordens. Als die Sammlung, die ursprünglich neben unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen Gerätschaften verschiedener Phänomenbereiche ebenso weit über 6.000 Zeichnungen und 27.000 Druckgraphiken umfasste, zum Ende des 18. Jahrhunderts hin die Domstadt Richtung Frankreich verließ, ahnten wohl nur die wenigsten, dass es Jahrhunderte dauern würde, bis sie erstmals wieder in Köln ausgestellt wird. Zwar holte der Kölner Gymasial- und Stiftungsfonds bereits 1880 ein 532 Zeichnungen umfassendes Konvolut nach Deutschland zurück, doch erst jetzt, im Jahre 2019, stellt das Wallraf-Richartz-Museum einen Teil dessen unter dem Titel „WIR GLAUBEN KUNST“ erstmalig aus. 90 Zeichnungen, die wie die gesamte Sammlung einst dem Schulbetrieb des Tricoronatum Gymnasiums dienten, sind nun für euch öffentlich zugänglich und geben euch einen Einblick in vergangene Schulpraktiken und längst vergangene Kunstepochen und damit in Werke, deren ursprüngliche Funktionen weiterhin höchst umstritten sind. Führt die Kunst zum Glauben? Hilft der Glauben bei der Ausführung der Kunst? Oder bedingen sich beide Bereiche nur geringfügig bis gar nicht?

Als Papst Clemens XIV. den Jesuitenorden im Jahre 1773 auflöste, geriet die Stadt Köln in vielerlei Hinsicht aus dem Gleichgewicht. Einerseits verlor das damalige Gymnasium Tricoronatum, das heutige Dreikönigsgymnasium, seine bedeutende pädagogische Stellung im städtischen Schulwesen, was einen schweren Einschnitt in der stark durch den Katholizismus geprägten Stadt bedeutete. Andererseits wurde abermals offensichtlich, dass sich die französische Herrschaft auf alle Belange des städtischen Lebens auswirkte, insbesondere auf den Bereich der Kunst und Kultur. Wie das bei Besetzungen zumeist so ist, erfolgte sogleich die „Umsiedlung“ zahlreicher Kunstwerke. Darunter auch die Kunst- und naturwissenschaftliche Sammlung des Gymnasiums Tricoronatum, die nach Paris in die Bibliothèque Nationale sowie in das Graphische Kabinett des Louvre verfrachtet wurde. Mittlerweile, ungeachtet des Kunstraub-Aspektes, lässt sie sich als eine geteilte Ausstellung betrachten, zu dem halt auch das Konvolut im Wallraf-Richartz-Museum gehört und dessen derzeitiger Bestand dem Museum vom Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde.

In der Ausstellung wird euch sofort der Hinweis „Col.“ (Cologne) auffallen, der auf fast jedem Ausstellungsstück prangt und ohne den eine Rückholung der Werke nie und nimmer möglich gewesen wäre. Als die Sammlung nämlich im damaligen Paris ankam, versah man die Exponate dort mit der bezeichnenden „Col.“-Kennung, um sie entsprechend klassifizieren und deren Ursprung auch noch später nachvollziehen zu können. Und die euch nun vor Augen führt, welchen Ursprung und welche Geschichte die Sammlung in sich vereint…

In der Ausstellung durchlauft ihr also gewissermaßen eine Aneinanderreihung von Zeichnungen, deren offensichtliche Geschichte euch ohne Umschweife entgegenspringt. Die Ausstellung ist dabei in elf thematische Bereiche eingeteilt, die sich sowohl nach den inhaltlichen Darstellungen als auch nach den jeweiligen Ursprüngen der Zeichnungen richten. Zeichnungen, die über die Jahrhunderte in Deutschland, Italien oder der Niederlande erworben wurden und die die Sammlung der Jesuiten stetig erweiterten, geben Ausblicke auf qualitative und inhaltliche Schwerpunkte, die den Orden beim Erwerb der jeweiligen Werke antrieben. Obwohl bei vielen Werken oftmals weiterhin fraglich ist, auf welchem Wege sie der Sammlung hinzugefügt wurden, wird ersichtlich, dass den Erwerbungen ein hoher künstlerischer und qualitativ hochwertiger Anspruch zugrunde lag. Die Zeichnungen sind gleichermaßen Kopien als auch Vorzeichnungen und Nachbildungen bekannter Werke und in erster Linie wurden sie der Sammlung zu Lehrzwecken hinzugefügt. Aber war dies deren einzige Nutzung? Bekanntermaßen hegte der Jesuiten-Orden ein reges Interesse an der Ausbildung seines Nachwuchses – doch welchem Zwecke diente der Kunstbegriff und die künstlerische Praxis vor einem religiösen Kontext? Welchem Zwecke dienten die Werke vor dem Hintergrund religiösen Strebens, welches sich naturwissenschaftlichen und universellen Erkenntnissen keineswegs verschloss und das sie gar in dessen künstlerische Praxis mit einbezog?

Wir. Glauben. Kunst. Aber kann man Kunst überhaupt Glauben? Führt die Kunst zum Glauben oder führt der Glauben zur Kunst? Gibt es eine Kunst ohne Glauben überhaupt? Und woran sollte man glauben, wenn man künstlerisch tätig ist? In kaum einem anderen Museum Kölns kann dieser Frage wohl besser nachgegangen werden, als im Wallraf-Richartz-Museum. Schon alleine deswegen vermag die Titelfindung der Ausstellung erdrückendes Kopfzerbrechen bereiten. Zugegeben: Wir haben bisher kaum eine Ausstellung erlebt, die mehr Recherche und Beschäftigung mit der städtischen Geschichte erforderte, als diese hier. Wer auf einen saloppen Kunstkonsum aus ist, der ist bei „WIR GLAUBEN KUNST“ falsch. Allen anderen wünschen wir viel Spaß auf der Reise in ein längst vergangenes Köln, dessen Gesicht sich durch die Gesamtheit der ausgestellten Werke mehr und mehr zusammensetzt…    

Zeiten:

noch bis zum 18. August 2019

Preise des Museums:

Eintritt: 
Erwachsene: 9,00 €
Ermäßigt: 6,50 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: www.wallraf.museum/ausstellungen/aktuell/2019-05-24-wir-glauben-kunst
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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